Hey, mein Name ist Christian Henke. Ich bin seit 2001 für Ferrum als Servicetechniker im Geschäftsbereich Zentrifugen unterwegs. Letztes Jahr beispielsweise war ich beruflich 65 Tage im Ausland. So ist das als Servicetechniker, wenn die Firma 90 Prozent ihrer Maschinen ins Aus-land verkauft. :-) Ich war in Schweden, Spanien, Italien und 14 Tage in China. Hier mein Bilder-tagebuch aus dem Reich der Mitte!
Zürich - Peking - Jinan - Heze. Nach 20 Reise-stunden im Flugzeug, in Wartehallen und zuletzt im Auto erreiche ich Heze. Das ist eine dieser typischen chinesischen "Kleinstädte", von denen noch nie jemand gehört hat, die aber zehn Millionen Einwohner hat. In China ist die Stadt berühmt für den Anbau von Pfingstrosen, Chinas Nation alpflanze. Nicht so rosig ist meine Aus-sicht aus dem Hotel: Smog.
Nachdem mich mein Fahrer im Hotel abgeholt hat, erreichen wir am nächsten Morgen das Werk unseres Kunden. Die Heze Ruiying Pharma-ceutical Group beschäftigt 1'500 Mitarbeitende und stellt sogenannte APIs (Active Pharma-ceutical Intermediates) her, also Wirkstoffe und Zwischen produkte für die Pharmaindustrie. Output: 867 Tonnen pro Jahr.
Ferrum-Maschinen sind weltweit im Einsatz. Ein wichtiger Markt für Zentrifugen ist China, wo heute rund 350 Ferrum-Zentrifugen stehen, davon zwei bei unserem Kunden in Heze: Schälzentrifugen vom Typ HPZ mit 1.25 Meter Trommeldurchmesser und 60 Zentimetern Tiefe. Nun scheint bei einer Zentrifuge die Lippen-dichtung der Lagerung undicht zu sein, sodass Waschflüssigkeit in die Lagerung einläuft.
Nach meiner Fehleranalyse demontiere ich mit Helfern die Lagerung. Man merkt: Arbeitskräfte sind günstig in China. Ich hatte auf jeden Fall ständig zehn Helfer um mich herum, obwohl ich viele Reparaturarbeiten alleine machen konnte. Aber vielleicht ging es auch nicht nur ums Helfen, sondern ums Schauen, was es mit dem berühmten Swiss Engineering auf sich hat. :-)
Keiner meiner Gastgeber kann Englisch. Zum Glück erhalte ich Unterstützung von unserer Ferrum-Filiale in Kunshan in der Nähe von Shanghai. Servicetechniker Michael Wang hilft auch als Übersetzer und Berater aus. Man erkennt ihn auf dem Bild an den Sicherheitsschuhen .
Beim Blick in den Hydrauliktank mit Pumpe offenbart sich das Problem: Durch die defekte Dichtlippe ist Lösungsmittel in den Hydrauliktank gedrungen. Das führt zu Rost.
Um die Lippendichtung zu reparieren, muss sie erst einmal demontiert werden. Dazu braucht es Spezial-werkzeug von Ferrum. Das hat der Kunde zum Glück mit der Maschine gekauft. Der Stahlring wird auf die Lippendichtung aufgeschraubt und diese Millimeter für Millimeter aus dem Lagergehäuse hinaus-gezogen.
Spezialwerkzeug Made in China. Chinesen sind un-gemein erfinderisch, wenn es darum geht, spontan Probleme zu lösen. Es fehlt ein Hammer und wir haben keinen? Einfach ein Eisenrohr und eine grosse Gewindeschraube zusammen-schweissen, fertig ist der Hammer.
Bei der Demontage wird der Schaden erkennbar. Eigentlich verhindert die Lippendichtung, dass während des Betriebs der Zentrifuge Öl von der Lagerung in den Produktraum gelangt oder um-gekehrt Substanzen aus dem Produktraum in die Lagerung. Hier ist Lösungsmittel durch die defekte Lippendichtung in die Dichtung getreten und korrodiert nun das Lagergehäuse.
Darauf habe ich mich seit meinem letzten Besuch in Heze 2014 gefreut: ein Abendessen mit dem Kunden. Das Essen ist fantastisch in China - so viele neue Geschmäcker. Gemüse, das ich noch nie gesehen habe, Gewürze, die ich noch nie probiert habe, Fisch, Fleisch, See-sterne, Seeigel, alles ... Freundlicherweise werde ich vom Kunden eingeladen. Der ent-scheidet übrigens auch, wann (und wie oft) gemeinsam Schnaps getrunken wird.
Die Arbeitssicherheit ist in China weniger fort-schrittlich als in der Schweiz. Als ich am ersten Tag eine Sicherheitsbrille aufgesetzt habe, waren
die chinesischen Partner fast beleidigt - ich hätte hier nichts zu befürchten. Ich erklärte ihnen, dass wir auch bei uns in der Schweiz Sicherheits-schuhe und Schutzbrillen anziehen müssen.
Um den neuen Wellendichtring in den Lager-deckel einzupressen, habe ich einen Bohr-ständer zur Presse umfunktioniert. Werkbänke gibt es kaum in China. Normalerweise wird auf dem Boden gearbeitet.
Ein chinesischer Kollege stanzt die Flach-dichtung für den Hydrauliktank aus. Das Stanz-eisen ist wie so viel es improvisiert. Zuerst wollte der Kunde sogar die alten Flachdichtungen kle-ben! Davon konnte ich ihm erfolgreich abraten.
Endlich komme ich dazu, die neue Pumpe mit den Anschlüssen zu verschrauben. Alle Ersatz-teile haben wir vorgängig in Absprache mit dem Kunden von der Schweiz nach Heze geschickt - von der Lippendichtung über die Lagerung bis zur Pumpe. Logistik und Planung sind die halbe Miete auf Montage. Man ist weit weg von zu Hause. Wenn etwas fehlt, ist mit langen Warte-zeiten zu rechnen.
Ich bin der Grösste - vor allem in China. 2.04 Meter bin ich gross und damit genau 39 Zentimeter grösser als der durchschnittliche Chinese. Dementsprechend viele Selfies gibt es jetzt von mir und Chinesen auf chinesischen Handys. Doch zurück zur Arbeit - wir sind fast fertig. Hier führe ich mit einem Helfer die revi-dierte Welle mit den zwei neuen Lagern ins Lagergehäuse ein. Danach müssen wir nur noch die Lippendichtung montieren.
Heze by night. Normalerweise habe ich die Abende im Hotel verbracht. Aber heute ist Samstag und ich gehe mal raus. Es wird aben-teuerlich - niemand versteht mich, ich verstehe niemanden und lesen kann ich hier auch nichts. In den 14 Tagen in Heze habe ich nur einen Europäer gesehen: morgens beim Blick in den Spiegel.
Endlich frei! Was tun? Der Kunde schlägt eine Fahrt in den Millennium City Park in Kaifeng vor. Schon die Autofahrt ist ein Erlebnis: Es wird links und rechts überholt, Blinken ist unnütz, wichtiger als das Steuerrad ist die Hupe. Nach drei
Stunden im Verkehr stehen wir im Themenpark und begeben uns auf eine Zeitreise 1'000 Jahre zurück ins China der Song-Dynastie.
Sehr beliebt in China: Hahnenkämpfe. Da herrscht ein Riesengeschrei, die Stimmung ist am Kochen, nicht etwa wegen der Tierquälerei, sondern wegen der vielen Wetten, die im Umlauf sind. Mit dem Schweizer Tierschutz wäre das unvereinbar.
Die komplett revidierte Dichtung ist in den Stator eingebaut - mit neuen Lagern, neuen Dicht-lippen, Membranen und Distanzscheiben.
Ein zweites Problem taucht auf - nur welches? Ich verstehe kein Wort, aber meine chinesischen Kunden besprechen das Problem intensiv mit meinem Kollegen Michael Wang.
Michael erklärt mir, dass der Kunde eigenständig am Bedienterminal herumprogrammiert hat, so-dass die Sicherheitsverknüpfungen jetzt nicht mehr funktionieren. Da kann ich jetzt auch nicht weiterhelfen, ich bin ja nicht Programmierer. Ein Fall für die Jungs in Rupperswil. :-)
"Mission accomplished" - zwei Ferrum-Kollegen aus China sind auch noch gekommen : Me-chaniker Li Lipeng und Verkäufer William Wang. Wir feiern die erfolgreiche Inbetriebnahme im Reinraum, in dem die Zentrifuge als Durch-die-Wand-Konstruktion eingebaut ist.